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Donnerstag, 10. Januar 2013

Leseprobe: Der Ratgeber I


Es war einmal ein König, der hatte einen Krieg geführt, und weil seine Soldaten sehr tapfer gewesen waren, hatte er ihn endlich, nach vielen blutigen Schlachten, auch gewonnen. Das heißt: Was er wirklich gewonnen hatte, das waren drei Dörfer. Einst waren das ansehnliche, wohlhabende Gemeinden gewesen, mit schönen Länderein; jetzt allerdings waren die Häuser zerschossen und eingestürzt, so dass weder ein Mensch noch auch ein einziges Tier dort mehr leben konnte; die Felder waren verwüstet und die prachtvollen alten Wälder zu Asche verbrannt.
Da kam eines Abends sein oberster Feldherr zu ihm und sagte:
Lieber König, wir haben ein paar Tausend Verwundete, denen Arme, Beine, Augen oder Lungen kaputtgeschossen worden sind, die sitzen oder liegen nun alle zu Hause herum, können ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten und müssen auf Staatskosten ernährt werden. Ferner haben wir ein paar Tausend Frauen, denen sind ihre Männer oder Söhne totgeschossen worden: Die brauchen ebenfalls Unterstützung. Außerdem sind auch von unseren Dörfern und Städten verschiedene zerstört worden, und man benötigt dringend Geld für den Wiederaufbau. Endlich ist da auch noch eine beträchtliche Masse früherer Soldaten, die jetzt keine mehr sein wollen, können oder dürfen. Weil sie aber nie etwas vernünftiges gelernt haben, so muss nun auch für die gesorgt werden. Weiterhin...
Halt ein! Rief der König, ich will nichts mehr davon hören! Ich raufe mir schon ohnehin Tag und Nacht die Haare, weil ich nicht mehr aus noch ein weiß. Meine Feinde und sogar meine Freunde verspotten mich bereits und sagen: Im Kriege hat er nur den Verstand verloren, aber nach dem Kriege verliert er obendrein seine Ehre. Schweig also! Pack dich! Und lass dich nicht mehr blicken, wenn du nichts anderes vorzubringen hast als unerfüllbare Forderungen.
Der Feldherr ging. Der König blies die Kerzen aus und versank in seinen trüben Gedanken.
Mein lieber König, ich muss leider darauf hinweisen, dass während des Krieges ein großer Teil unserer Kirchen beschädigt oder gar zerstört wurde. Auch hat man Reliquien, Altarbilder und Schnitzerein gestohlen oder verdorben, Turmglocken mutwillig zerschossen, Haushälterinnen geschändet und geheiligten Wein aus den Kellern gestohlen. Für all das verlangen wir Ersatz und Entschädigungen. Denn wir haben zwar eure Waffen gesegnet ( wofür die Rechnungen übrigens auch noch nicht beglichen sind), aber den Krieg angezettelt hast du.
Zu dem Kirchenfürsten wurde der König nicht gar si grob wie zu seinem Feldherrn, aber hinauskonplimentieren ließ er ihn auch. Als danach noch der Oberförster kam, weil fast alle Hirsche und Rehe totgeschossen, der Obermetzger und der Oberkürschner, weil die Leute aus Not ihre Rinder und Kühe abgestochen, so dass es kein Fleisch und kein Leder mehr gab, der Oberschneider, weil die Flachsernte vernichtet war, so dass weder gesponnen noch gewebt werden konnte, der Oberste Oberlehrer, weil die Leute nicht mehr denken konnten, ...
Da war es der König endgültig satt, und er ließ im Lande ausrufen:

Wer Schlecht` und Schlimmes noch berichtet,
wird augenblicklich hingerichtet.
Willkommen ist zu jeder Stunde
Nur der mit einer guten Kunde.

(Manche Ausrufer riefen stattdessen: Nur der mit einem Honigmunde)
Da ging keiner mehr ins Schloss, oder wenn er schon ging, so redete er nichts. Denn allen war ihr Leben so lieb, wie es dir und mir auch ist.
Also wurden die Armen ärmer, die Kranken kränker, die Verzweifelten nahmen sich das Leben, die die Wahrheit wussten, behielten sie für sich – und der König versank in Schwermut und schlug dreimal täglich mit dem Kopf gegen die Wand.

Forstsetzung folgt morgen!



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