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Freitag, 11. Januar 2013

Leseprobe: Der Ratgeber Teil II


Da fiel dem Königlichen Leibarzt etwas kluges ein: Er empfahl, einen Ukas ausrufen zu lassen, der sollte lauten:

Des Königs Pläne sind gescheitert,
und er versinkt in Depression.
Wer ihn mit gutem Wort erheitert,
wird, wenn er will, sein Schwiegersohn.

Jeder meinte natürlich, das heiße: Wenn der Erheiternde will, wird er Königs Schwiegersohn, kriegt er also seine Tochter zu Frau. Aber der Satz konnte ja auch heißen: Wenn der König will ... ! Nur, das merkte fast keiner.
Der einzige, der es sofort merkte, war ein gewisser Herr Drehensinn, ein gelernter, geübter Wortspieler, der so schlau und frech war, dass er keine Angst vor Sprüchen hatte – weder vor albernen Sprüchen noch vor frommen Sprüchen, nicht einmal vor Urteilssprüchen. Dieser Herr Drehensinn meldete sich im Schlosse an, wurde vorgelassen und fragte:

Wo fehlt´s denn, mein lieber König?
Am Geld! Brummte der grimmig.
Ach Gottchen! Am Geld? Wenn´s weiter nichts ist ... !
Weiter nichts, hab ich nicht gesagt! Aber d a s mal zuerst!
Nun gut. Du hast doch einen Schatzmeister, nicht wahr?
Nein. Nicht mehr. Hab ich weggejagt. Was soll ein Schatzmeister, wo kein Schatz ist?
Aber König, lieber König! Hol ihn sofort zurück, mach ihn zum Oberschatzmeister und gib ihm drei Unterschatzmeister als Gehilfen. Was soll denn der Blödsinn?
Blödsinn? Keineswegs! Verkünde du nur den Leuten, du hättest im Krieg soviel Beute gemacht und von den Feinden so viel Tributzahlungen erzwungen, dass einer allein deinen Reichtum nicht mehr verwalten könne.
Aha! Sagte der König, so meinst du das! Aha!
Ja, allerdings. Selbstverständlich doch.
Ich soll also meinem Volk einfach was vorlügen.
Was heißt „ich soll“? Das ist doch ganz klar: du musst einfach. Aha! Sagte der König noch einmal. Na und? Fragte Drehensinn. Sag bloß, das hättest du nicht gewusst, bevor du König wurdest!
Da schwieg der König eine Weile; dann seufzte er und sagte:
Na ja, ich kann´s ja versuchen.
Sehr schön! Sagte Drehensinn und verabschiedete sich mit den Worten: Auf Wiedersehen! – Und er wusste, was das hieß.
Adieu! Hauchte der König. Nur er wusste leider nicht, was das heißt. (Damit ihr es wenigstens wisst: Adieu heißt soviel wie „mit Gott“ oder „sei Gott anbefohlen“)
Als Drehensinn aus dem Hause war, ließ der König seinen einstigen Schatzmeister kommen und eröffnete ihm den neuen Plan. Der Schatzmeister war sofort hell begeistert – nur, sagte er, nur einen einzigen Punkt möchte ich vorab klargestellt wissen.
Welchen Punkt? Fragte der König.
Mein Gehalt. Ich hatte die Einkünfte eines Königlichen Schatzmeisters; bekomme ich denn nun auch, was einem Königlichen Oberschatzmeister zusteht?
Das ist ja doch wohl selbstverständlich! Rief der König lachend – und wenn ich dich aus meiner eigenen Tasche bezahlen müsste!
Der Schatzmeister kniff ein Auge zu, mit dem anderen zwinkerte er den König an. Aber bei dem hatte Drehensinns Beratung so großartig gewirkt, dass der ganze Herr König, von Kopf bis Fuß bereits von Lüge durchströmt war statt von Blut. Und so wurde er auch jetzt nicht rot im Gesicht, denn Lügen sind farblos, damit man sie nicht so rasch sieht.
Naja, dachte der Schatzmeister-Oberschatzmeister, mag ja sein, dass unser feiner Herr König sich doch wirklich irgendwo noch ein hübsches Goldhäuflein zurückgelegt hat.
Hoffen wir's mal! Schließlich, ein Oberschatzmeister-Gehalt das wär doch immerhin   nicht zu verachten.
Also verbeugte er sich recht ehrerbietig und murmelte: Mein König, ich habe verstanden. Ich werde zu deiner Zufriedenheit arbeiten.
Der König sagte wieder „,Adieu". der Schatzmeister ging und setzte sich unverzüglich wieder an seinen alten. gewohnten Schreibtisch. Dort schrieb er zunächst ein großes
rotes Schild:

Oberschatzmeister

das heftete er an seine Tür: und dann schrieb er zehn oder zwölf oder vielleicht auch siebzig lange, lange Listen, auf denen die Schätze aufgezählt waren, die man den Feinden
vergeblich abgenommen hatte. Dann schrieb er einige weitere Listen, darauf notierte er die regelmäßigen Abgaben, die die besiegten Völkerschaften zu leisten hatten.
Dann wählte er sich drei Unterschatzmeister aus: einen Dichter, einen Redner und einen Gaukler und sprach zu ihnen:
Setzt euch an die Arbeit! Ihr habt eine Aufgabe über Jahre hin: Sortiert mir alle Einzelheiten meiner Listen – nach Wert, Alter, Häufigkeit, Wichtigkeit, nach Aussehen, Gewicht und Volumen, nach Echtheit, Güte und Qualität, nach Goldgehalt, Silbergehalt und Edelmetallgehalt, nach Anzahl der Edelsteine, der sehr edlen Steine und der besonders edlen Steine - und dann noch nach dem Alphabet.
Und in jeder Liste bringt ihr bitte einen Vermerk an, welches der Stücke ihr gern für euch selbst haben möchtet, wenn nächstens der König seine große Volksbeschenkung
zur Friedensfeier gibt.

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Den ersten Teil der Leseprobe finden Sie H I E R

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